Die vergangenen Monate haben wir uns intensiv damit beschäftigt, wie es Zeitungen gelingen kann, möglichst viele ihrer Printleserinnen und -leser in ein reines Digitalabo zu holen. Unsere Erfahrungen sind in ein ausführliches Kress Dossier eingeflossen. Für das Dossier hat Philipp auch mit Medienprofessor Christopher Buschow gesprochen. In diesem Interview erzählt Buschow, welche Hürden es bei der Umstellung auf digitale Angebote gibt und wie das Ganze dennoch gelingt.

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**Christopher Buschow (**Foto: Sebastian Isacu)

Wie schnell werden Tageszeitungs-Verbreitungsgebiete jetzt unwirtschaftlich? Was werden wir dieses Jahr noch erleben?

Das ist schwer zu sagen, weil sich die Verlage ja nicht so einfach in die Bücher schauen lassen. In der Schickler-Studie aus 2020 hieß es, dass die Zustellung schon nächstes Jahr in keiner unwesentlichen Zahl an Gemeinden nicht mehr wirtschaftlich sein wird. Unzweifelhaft schauen alle gerade sehr genau darauf, was bei Madsack und Funke passiert. Schaffen die beiden Großen es, diese Umstellung zu organisieren und profitable digitale Alternativen auf den Weg zu bringen? Ich erwarte, dass sich anhand dieser Ergebnisse ein gutes Stück weit entscheiden wird, ob auch andere, kleinere Verlage umstellen werden oder ob sie versuchen, das gedruckte Tageszeitungsmodell so lang wie möglich am Leben zu erhalten. Da droht dann aber eine Art Ausbluten.

Das heißt, es wird abgewartet?

Die Gefahr besteht. Aber letztendlich ist der Umstieg aufs Digitale unvermeidlich. Auf die exakte Jahreszahl kommt es nicht an. Was wir momentan erleben, sind Experimente und die sind wichtig, weil die Verlage dabei viel lernen.

Bleibt denn noch ausreichend Zeit, zu lernen und das Gelernte dann umzusetzen?

Alle belastbaren Daten, die jetzt gesammelt werden, sind für die Verlage wichtig, um bessere Prognosen aufzustellen. Mit wie viel Ressourceneinsatz erziele ich welche Wandlungsquoten? Was geschieht, sobald ich tatsächlich komplett von Print auf Digital umstelle? Da gibt es bislang kaum Erfahrungswerte. Ob die Zeit reicht, ist schwer zu beurteilen und ist sicher von Verlag zu Verlag unterschiedlich.

Also ist Ihr Ratschlag nicht abzuwarten, sondern so schnell wie möglich erste Erfahrungen bei der Umstellung von Print zu Digital zu machen? Vielleicht auch dann, wenn es im Moment noch gar nicht notwendig erscheint?

Absolut. Eigentlich müssten sich möglichst viele Verlage zusammenschließen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu diesem Prozess teilen. Dabei könnte auch die Wissenschaft eine Rolle spielen, gewissermaßen als neutraler Informationsmakler. Das andere Szenario, ein Ausbluten des Print-Geschäfts, das würde vermutlich eher dazu führen, dass keine geringe Zahl an Verlagen aufgeben muss, weil die Zukunftsperspektive fehlt.

Die Wandlungsquoten in die Digitalprodukte, die wir in den vergangenen Monaten beobachten konnten, liegen zwischen knapp 30 Prozent und etwas über 60 Prozent. Das sind schon erhebliche Unterschiede. Und das obwohl die Verlage in Bezug auf Kommunikation, Schulungen und Hardwareangebote recht ähnlich vorgegangen sind. Wie erklären Sie sich diese Unterschiede?

Wir haben dazu noch keine belastbare, wissenschaftliche Evidenz. Ich vermute aber, dass es in den verschiedenen Regionen doch stark unterschiedliche demographische Strukturen gibt und damit zusammenhängend auch andere Mediennutzungsroutinen. Zum Beispiel wissen wir, dass die Menschen in Greiz, wo Funke umgestellt hat, selbst für Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser, vergleichsweisealt sind. Ein zweiter Faktor sind wahrscheinlich die jeweiligen Angebote und Anreize. Rabatte und Endgeräte können natürlich bei der Wandlung helfen.

Wie aussagekräftig und vergleichbar sind dann diese von den Verlagen veröffentlichten Wandlungsquoten?

Das ist aus meiner Sicht unklar. Was bedeutet denn x Prozent Wandlungsquote? Ist das eine Momentaufnahme und sind die Leserinnen und Leser in zwei Monaten wieder weg? Wir wissen zu wenig darüber, unter welchen Voraussetzungen die Leute konvertiert wurden und über die Churn-Raten. Sind Nutzerinnen und Nutzer zum Beispiel für das E-Paper registriert worden, haben es geschenkt bekommen und rufen es trotzdem nie auf? Kurz gesagt, die unterschiedlichen Wandlungsquoten lassen sich nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichen, da wir wenig Transparenz über Messmethoden und Erfolgsmetriken haben.

Welche Rolle spielt Hilfestellung bei der Digitalisierung der Leserinnen und Leser? Also zum Beispiel Schulungsangebote?

Unterstützung und Beratung der Leserinnen und Leser spielt eine ganz entscheidende Rolle. Am erfolgversprechendsten ist es sicherlich, das direkt bei den Leuten vor Ort zu machen, z.B. eine Sprechstunde anzubieten.

Wenn man sich die Wandlungsprojekte von Funke, Madsack und Beig ansieht, scheint diese intensive Betreuung ein entscheidender Faktor zu sein. Allerdings ist das auch sehr kostenintensiv und lässt sich womöglich schlecht skalieren.