1. OKTOBER 2023

PHILIPP DUDEK

Ich habe einen Grundsatz über Bord geworfen.

Journalismus ist kein Produkt! Das habe ich In meinem Journalistik-Studium an der Universität Leipzig so gelernt. Während meines Volontariats bei der taz habe ich es nie hinterfragt. Und während meiner gesamten Redakteurs-Laufbahn unter anderem bei der Hamburger Morgenpost und bei der Fvw wurde der Spruch zu meinem festen Glaubenssatz. Journalismus ist kein Produkt. Journalismus ist nicht das Frühstücksbrötchen, das Du beim Bäcker kaufst. Journalismus hat einen gesellschaftlich relevanten Sinn, einen demokratischen Auftrag.

Heute weiß ich: Das mit dem Sinn und dem Auftrag, das stimmt. Das andere ist Quatsch. Journalismus ist auch ein Produkt.

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Ein gutes Produkt löst ein Problem oder befriedigt ein Bedürfnis bei seinen Nutzer:innen. Das Frühstücksbrötchen stillt den Hunger, eine Zahnbürste sorgt für saubere und gesunde Zähne und Journalismus befriedigt gleich mehrere Bedürfnisse. Ganz offensichtlich die Bedürfnisse nach Information und Unterhaltung. Das Bedürfnis mitreden zu können. Und dann gibt es auch noch die weniger offensichtlichen Bedürfnisse. Zum Beispiel das Bedürfnis nach einem Morgenritual, zu dem für viele Menschen immer noch eine Tageszeitung gehört.

Es hilft, diese Sichtweise einzunehmen, wenn man Journalismus erfolgreich weiterentwickeln will. Wer Zeitungen, Newsapps, Newsletter und Websites nicht nur als Kanäle, sondern durch die Brille der Produktentwicklung betrachtet, kann plötzlich Zielgruppen scharf definieren, Stärken und Schwächen des Produktes genau benennen und Prozesse priorisieren.

Die Bedürfnisse der Nutzer:innen zu verstehen, hilft, die richtigen Daten zu erheben und die Erkenntnisse daraus in der Redaktion, im Vertrieb und in der Vermarktung umzusetzen.

So lässt sich nicht nur die Erfolgswahrscheinlichkeit neuer Ideen erhöhen. Das Vorgehen schafft durch die Priorisierung auch freie Ressourcen. Wenn man konsequent ist …

Wie wir einmal mit Methoden der Produktentwicklung lokalen Klimajournalismus für neue Zielgruppen entwickelt haben, das erzähle ich ausführlich am kommenden Wochenende bei der Correctiv Lokal Konferenz in Erfurt. Vielleicht sehen wir uns ja da. Ich würde mich freuen.


Print braucht Sterbebegleitung

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