Eine Monsteraufgabe vor der derzeit viele regionale Tageszeitungsverlage stehen, lautet, möglichst viele Printabonnent:innen zu Digitalabonnent:innen zu wandeln. Das ist an sich schon eine gigantische Herausforderung. Und sie ist womöglich noch viel größer, als viele Verantwortliche glauben, wie wir in Befragungen herausgefunden haben.
Die Printproduktion wird spätestens bis zum Ende des Jahrzehnts für viele Verlage unwirtschaftlich werden. Hohe Produktions- und Vertriebskosten und eine schnell sinkende Abonnentenzahl beschleunigen diese Entwicklung rasant. Deshalb ist es so wichtig, möglichst schnell viele der Bestandskund:innen zu digitalisieren.
Daran arbeiten bereits viele Medienhäuser. E-Paper werden aufgehübscht und zum Printabo dazugegeben, Schulungen werden angeboten, Tablets stark vergünstigt an Leser:innen verschickt. Aber um relevante und nachhaltige Wandlungsquoten zu generieren, müssen Verlage vermutlich die wegfallenden Netzwerkeffekte der Printausgaben kompensieren. Ich habe jetzt nicht den Masterplan, wie das gelingen kann – aber festgestellt, dass es hilft, sich diese Netzwerkeffekte vor Augen zu führen.
Jan und ich haben in den vergangenen Monaten mit langjährigen Printabonnent:innen verschiedener regionaler Tageszeitungen gesprochen und dabei ist uns etwas aufgefallen, was eigentlich eine Banalität ist: Eine Zeitung liest man nie alleine.
Nicht nur das eigentliche Zeitungslesen, war bei vielen Leserinnen und Leser stark ritualisiert, sondern auch der Umgang mit dem Printprodukt an sich. Zeitungen werden immer an der gleichen Stelle geteilt und am Frühstückstisch verteilt, Zeitungen werden für erwachsene Kinder aufgehoben, Zeitungsausschnitte verschickt, mit Nachbarn am Gartenzaun getauscht, im Treppenhaus weitergegeben.
Das wichtigste, das wir nach all den Interviews festhalten konnten: Für einen Großteil dieser Menschen, ist ihre Tageszeitung ein Kommunikationsanlass. Und zwar nicht über die Inhalte, wie wir es selbst erwartet hätten. Sondern die Zeitung ist ein Grund, seine Nachbarn und Freunde zu besuchen. “Für uns ist das ein Grund, den Nachbarn ,Guten Tag’ zu sagen”, erzählte uns einer unserer Interviewpartner. Diese Interaktionen sind teilweise stark ritualisiert und tragen unserer Einschätzung nach erheblich zu der starken Leser-Blatt-Bindung bei.
Ein Digitalprodukt, egal wie umfangreich, wird diese Netzwerkeffekte nicht vollständig abbilden können. Deshalb ist es wichtig, gerade im Wandlungsprozess zu überlegen, wie sich kompensieren lässt, was Leserinnen und Leser verlieren, wenn das Printprodukt wegfällt.
Falls Ihr Euch zu diesem Thema austauschen wollt, sprecht Jan und mich gerne jederzeit an.
(PS. Die Comics hat unser wunderbarer GPT für uns gemacht, der sich langsam zu einem emsigen Assistenten mausert)
Print braucht Sterbebegleitung
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